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Neuregelung zur regelmäßigen Arbeitsstätte: Höhere Reisekosten möglich
Anwendung bei nichtselbstständiger Arbeit
Die aktuelle Rechtsprechung hat zur Folge, dass in der Praxis häufiger Werbungskosten nach den Grundsätzen einer Auswärtstätigkeit geltend gemacht werden können. In Fällen, in denen bisher mehrere regelmäßige Arbeitsstätten angenommen wurden, ist die Entfernungspauschale nunmehr nur für Fahrten zwischen Wohnung und einer regelmäßigen Arbeitsstätte anzusetzen. Für die übrigen Fahrten können Werbungskosten nach den Grundsätzen einer Auswärtstätigkeit geltend gemacht werden.
Die Finanzverwaltung wendet diese Rechtsprechung in allen offenen Fällen allgemein an. Entgegen R 9.4 Abs. 3 LStR ist jetzt in der Regel von einer regelmäßigen Arbeitsstätte auszugehen, wenn der Arbeitnehmer einer betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers dauerhaft zugeordnet ist oder dort entweder täglich, wöchentlich einen Tag oder mindestens 20 % seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll. Sofern abweichend davon eine andere betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers oder keine regelmäßige Arbeitsstätte geltend gemacht wird, verlangt das BMF Nachweis oder Glaubhaftmachung des qualitativen Schwerpunktes der beruflichen Tätigkeit.
Die geänderte BFH-Rechtsprechung, wonach es entweder nur eine oder möglicherweise auch keine regelmäßige Arbeitsstätte gibt, bringt in der Praxis eine erhebliche Vereinfachung des steuerlichen Reisekostenrechts für das Lohnbüro mit sich. Denn zusätzlich ermöglicht dies Arbeitnehmern,
- häufiger einen höheren Werbungskostenabzug über mehr Kilometergeld,
- Verpflegungspauschalen,
- eine steuer- und sozialversicherungsfreie Arbeitgebererstattung der Reisekosten und
- einen geminderten Zuschlag bei Anwendung der Listenpreis-Regel für die Privatnutzung des Firmenwagens in Anspruch nehmen zu können.
Nur eine regelmäßige Betriebsstätte bei den Gewinneinkünften
Zur Besteuerung von Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte hat sich die Rechtsprechung des BFH in erheblicher Weise zugunsten der Arbeitnehmer geändert. Unter Berücksichtigung des objektiven Nettoprinzips ist nach dem Urteil des FG Baden-Württemberg davon auszugehen, dass auch bei Beziehern anderer Einkünfte nur eine Betriebsstätte gerechtfertigt ist. Anderenfalls käme es zu verfassungsrechtlich bedenklichen Ungleichbehandlungen. Aus diesem Grund wird diese Auffassung ausgeweitet auf Tätigkeitsorte, an denen berufliche oder gewerbliche Leistungen erbracht werden. Für eine regelmäßige Betriebsstätte kommt es nur noch darauf an, wo sich der ortsgebundene Mittelpunkt der betrieblichen Tätigkeit des Gewerbetreibenden, Landwirts oder Freiberuflers befindet. Die Fahrtkosten zu den übrigen Einsatzbereichen sind abziehbare Betriebsausgaben.
Auf den Umstand, dass es sich bei den übrigen Tätigkeitsorten um Stätten verschiedener Auftraggeber handeln kann, während Arbeitnehmer in mehreren betrieblichen Einrichtungen eines Arbeitgebers tätig sind, kommt es nicht an. Die Zahl der Auftraggeber ist bei Gewinneinkünften kein Kriterium für den ortsgebundenen Mittelpunkt der betrieblichen Tätigkeit und Selbstständige können über Hunderte von Auftraggebern verfügen, ohne dass dies eine entsprechende Vervielfachung der Zahl der regelmäßigen Betriebsstätten zur Folge hätte.
Die mittlerweile eingelegte Revision war zugelassen, weil das FG von der Rechtsprechung der für die Besteuerung der Landwirte, Gewerbetreibenden und Selbstständigen zuständigen Ertragsteuersenate des BFH abweicht, indem er die geänderte Rechtsprechung des VI. Senats zu Arbeitnehmern auf die Gewinneinkünfte überträgt. Das FG hält außerdem die Frage, ob und welche Folgen die Rechtsprechungsänderung des BFH im Bereich Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auf Fahrten zur Betriebsstätte hat, für grundsätzlich bedeutsam. Höchstrichterliche Rechtsprechung dazu existiert noch nicht.
Fundstellen:
BMF 15.12.11, IV C 5 - S 2353/11/10010, BFH 9.6.11, VI R 55/10, BFH VI R 36/10; VI R 58/09,
FG Baden-Württemberg 27.10.11, 3 K 1849/09; Revision unter VIII R 47/11
Eingestellt am 20.01.2012 von S. Arndt
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