Privatklinik: Umsatzsteuerfreiheit

Umsatzsteuer bei Privatkliniken spielt immer wieder eine wichtige Rolle in der Beratung der Klinik durch den Steuerberater.

Der BFH hatte jüngst in zwei unterschiedlichen Sachverhalten über die Umsatzsteuerfreiheit privater Krankenhausbetreiber zu entscheiden. Betroffen ist einmal die Rechtslage bis einschließlich 2008 und die Rechtslage ab 2009. Der Gesetzgeber hatte 2009 u.a. die Steuerbefreiungen für Heilberufe vollständig reformiert. Seitdem knüpft die Steuerbefreiung an die sozialversicherungsrechtliche Zulassung der Klinik an. Diese Verknüpfung der Steuerbefreiung mit einem sozialversicherungsrechtlichen Bedarfsvorbehalt für neue Privatkliniken hält der BFH für nicht mit dem Unionsrecht vereinbar. Die bis zum 31.12.2008 geltende frühere Fassung des § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG ist dagegen hinsichtlich der 40 %-Grenze unionsrechtskonform. |

Sachverhalt (XI R 8/13 – altes Recht)
Die Klägerin betrieb ein privates Krankenhaus für Psychosomatik, Psychotherapie und Krisenintervention. Sie behandelte in den Streitjahren 2003 bis 2006 privat versicherte Patienten und Selbstzahler.

Im Anschluss an eine Außenprüfung vertrat das FA die Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. nicht gegeben seien. Die erforderliche Anzahl an Belegungstagen mit Kassenpatienten (40 %-Grenze) sei nicht erfüllt.

Das FG gab der Klage statt. Die streitbefangenen Umsätze seien zwar nicht nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. steuerfrei. Die Klägerin könne sich jedoch für die Steuerfreiheit unmittelbar auf das Unionsrecht berufen.

Sachverhalt (XI R 38/13 – neues Recht)
Die Klägerin betrieb im Jahr 2009 eine Privatklinik, in der niedergelassene Ärzte operative Eingriffe an gesetzlich und privat versicherten Patienten durchführten. In der Klinik wurden sowohl ambulante als auch stationäre Eingriffe vorgenommen.

In ihrer USt-Erklärung für das Streitjahr behandelte die Klägerin ihre Umsätze aus der Behandlung von Privatpatienten als steuerpflichtig und ihre Umsätze aus der Behandlung von Kassenpatienten als steuerfrei.

Im Anschluss an eine Außenprüfung vertrat das FA die Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG nicht erfüllt seien. Die Privatklinik verfüge über keine sozialversicherungsrechtliche Zulassung.

Das FG gab der Klage im Wesentlichen statt. Die betreffende Klägerin könne sich für die Steuerfreiheit der streitbefangenen Umsätze auf das Unionsrecht berufen.

Entscheidung (XI R 8/13 – altes Recht)
In dem ersten Verfahren lehnt der BFH eine Steuerbefreiung ab. Insbesondere die nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. i.V. mit § 67 AO vorgesehene 40 %-Grenze stünde im Einklang mit dem Unionsrecht. Sie verstoße insbesondere nicht gegen das Neutralitätsgebot.

Der EuGH habe hinsichtlich der Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der 6. EG-Richtlinie für die Anerkennung einer ambulanten Pflegeeinrichtung die Zwei-Drittel-Grenze des § 4 Nummer 16 Buchst. e UStG a.F. ausdrücklich gebilligt (vgl. dazu EuGH 15.11.12, C-­174/11, Zimmermann, DStRE 13, 423). Entsprechendes müsse dann – so der BFH – auch für die 40 %-Grenze gelten.

Entscheidung (XI R 38/13 – neues Recht)
Im zweiten Verfahren hat der BFH die Revision des Finanzamts zurückgewiesen und damit das klagestattgebende Urteil des Finanzgerichts bestätigt.

Der XI. Senat des BFH schloss sich der Rechtsprechung des V. Senats des BFH an, der mit Urteil vom 23.10.2014 (V R 20/14, BFH/NV 2015, 631) bereits entschieden hat, dass die nationale Regelung in § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG nicht den unionsrechtlichen Vorgaben entspreche. Der nationale Gesetzgeber habe den ihm insoweit eingeräumten Ermessensspielraum überschritten, weil die Regelung in § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG die Steuerfreiheit der Leistungserbringung in privaten Krankenhäusern unter einen sozialversicherungsrechtlichen Bedarfsvorbehalt stelle. Dies sei mit dem Unionsrecht nicht vereinbar. Die Klägerin konnte sich daher für die Steuerfreiheit der streitbefangenen Umsätze unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b der MwStSystRL berufen.

Praxishinweise des Steuerberaters

1.
Nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG in der bis einschließlich 2008 geltenden Fassung (a. F.) waren die mit dem Betrieb der privaten Krankenhäuser eng verbundenen Umsätze steuerfrei, wenn bei Krankenhäusern im vorangegangenen Kalenderjahr die in § 67 Abs. 1 oder 2 AO bezeichneten Voraussetzungen erfüllt wurden. Bei einem Krankenhaus, das nicht in den Anwendungsbereich des Krankenhausentgeltgesetzes oder der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) fiel, mussten danach mindestens 40 % der jährlichen Belegungstage oder Berechnungstage auf Patienten entfallen, bei denen für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als für allgemeine Krankenhausleistungen berechnet wurde. Der BFH hat diese 40 %-Grenze als unionskonform angesehen. Damit sind die Umsätze von Privatkliniken bis einschließlich 2008 nicht von der Umsatzsteuer befreit.

2.
Anders ist es für den Zeitraum ab 2009: Nach der ab 2009 geltenden Rechtslage sind die Leistungen der privaten Krankenhäuser nur umsatzsteuerfrei, wenn es sich um eine Hochschulklinik, ein in den Krankenhausplan eines Landes aufgenommenes Krankenhaus oder um ein Krankenhaus handelt, das über einen Versorgungsvertrag mit den Verbänden der gesetzlichen Krankenkassen verfügt (§ 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG).

Der deutsche Gesetzgeber hat jedoch seinen Ermessensspielraum bei der Umsetzung der Richtlinie überschritten. Für die Steuerbefreiung kann es nicht darauf ankommen, ob das Krankenhaus ein Plankrankenhaus nach § 108 SGB V ist. Dies richtet sich größtenteils danach, ob aus Sicht der ­Sozialversicherungsträger ein entsprechender Versorgungsbedarf besteht. Die Steuerfreiheit der Umsätze der privaten Krankenhausbetreiber unter einen entsprechenden Bedarfsvorbehalt zu stellen, ist nicht zulässig. Entscheidend ist auch, ob die Ausstattung der privaten Einrichtung mit der Regelausstattung einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung (sog. Plankrankenhaus) vergleichbar ist. in diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, ob in dem Krankenhaus in „erheblichem Umfang“ auch gesetzlich Versicherte behandelt werden. In der Entscheidung V R 20/14 waren dies 35 %, die der BFH für ausreichend erachtete.

Die Vergleichbarkeit bezieht sich also auf die Art und Weise der Leistungserbringung. Dies machte der BFH im Streitfall an folgenden Merkmalen fest:

Die Behandlung von Kassenpatienten erfolgte auf der Grundlage von § 73a SGB V und damit vor dem Hintergrund spezifischer Vorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit.

Die Klägerin übte eine Tätigkeit aus, die im Gemeinwohlinteresse steht, indem sie operative Eingriffe an Patienten durchführte.

Außerdem entsprach das Leistungsangebot der Klägerin dem anderer nach § 108 SGB V anerkannter privater Kliniken bzw. öffentlicher Krankenhäuser.

3.
Für die Praxis wichtig ist, dass die Steuerfreiheit nach Unionsrecht dem Unternehmer lediglich die Möglichkeit gibt, sich auf die Befreiung zu berufen. Er ist jedoch nicht dazu gezwungen. Mit der Steuerbefreiung einher geht die Versagung des Vorsteuerabzugs. Erweist sich für das Krankenhaus - z.B. wenn in größerem Umfang Investitionen durchgeführt wurden - der Vorsteuerabzug als die günstigere Lösung, wird es sich empfehlen, von der Berufung auf das Unionsrecht abzusehen und es bei der nationalen Besteuerung zu belassen. Die Gemengelage aus Unionsrecht und divergierendem nationalen Recht führt damit zu einem Gestaltungsrecht des Unternehmers.

FUNDSTELLEN: BFH 18.3.15, XI R 8/13, BFH 18.3.15, XI R 38/13



Eingestellt am 29.09.2015 von S. Arndt
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